Die Regierungsfraktionen sowie die Fraktionen von CDU und Freien Wählern haben einen Entwurf für eine Verfassungsänderung vorgestellt, die die Schuldenübernahme der Kommunen durch das Land ermöglichen soll. Konkret wird vorgesehen, dass „Das Land oder juristische Personen, an denen das Land maßgeblich beteiligt ist, (..)aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung (…) Liquiditätskredite der Kommunen (…) übernehmen kann. Die Schuldübernahme ist keine Einnahme aus Krediten (…).“
Seitens der AfD-Fraktion bestehen Zweifel, ob die geplante Vorgehensweise bei der Schuldenübernahme durch das Land im Einklang mit der Schuldenbremse steht. Hier könnte sowohl ein Widerspruch zu den grundgesetzlichen Vorgaben als auch zu anderen Normen aus unserer Landesverfassung bestehen. Aus diesem Grund wurde eine gutachterliche Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes angefordert, die am 23.03.2022 eingegangen ist.
Bewertung der gutachterlichen Stellungnahme
Zwar besagt die Gesamteinschätzung des Gutachtens, dass „Alles in allem sich die hier vorgesehene Schuldübernahme im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen und Vertretbaren bewegen (dürfte) und insbesondere keinen Gestaltungsmissbrauch und damit auch keine Umgehung der Schuldenregel (…) darstellen.“ Allerdings ergibt sich diese Einschätzung aus einer Abwägung unterschiedlicher juristischer Sichtweisen, unter denen auch die gegenteilige Position vertreten ist. So wird beispielsweise darauf verwiesen, dass „Nach überwiegender Auffassung (!) die Kreditaufnahme in Höhe der fälligen Tilgungszahlungen (also die Umschuldung) von der haushaltsverfassungsrechtlichen Schuldenregel (Art. 117 Abs. 1 Satz 1 LV) nicht erfasst (wird).“
Dass der wissenschaftliche Dienst divergierende Rechtsauffassungen zu der untersuchten Thematik ausdrücklich darstellt, erhärtet unseres Erachtens die These, dass durchaus unterschiedliche Bewertungen zur Verfassungskonformität vorliegen.
Ganz konkret wird dies an folgendem Passus des Gutachtens deutlich: „Hält man im Rahmen dieser Ansicht (bereits) die mit der Übernahme von Krediten Dritter einher-gehende Vorbelastung künftiger Haushalte für die Geltung von Art. 109 Abs. 3 GG für ausschlaggebend und berücksichtigt weiter, dass die vorgesehene Schuldübernahme im Zusammenhang mit der Finanzgarantie aus Art. 49 Abs. 6 LV steht, würde danach die Schuldübernahme als Instrument zur Entschuldung kommunaler Haushalte von Art. 109 Abs. 3 GG erfasst und wäre folglich mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse unvereinbar.“
Insgesamt sehen wir in dem Gutachten also eine Abwägung unterschiedlicher juristischer Auffassungen, die zu einer knappen Entscheidung für eine Verfassungskonformität führen.
In einigen Positionen halten wir das Gutachten zudem für zu allgemein und nicht ausreichend differenziert. So wird etwa ausgeführt: „Aus welchem Grund bei einer ohnehin bestehenden Finanzierungspflicht des Landes die Übernahme entsprechender Schulden als Umgehung der grundgesetzlichen Schuldenregel anzusehen sein soll, bedürfte – zumal bei wirtschaftlicher Betrachtung – jedenfalls näherer Begründung.“
Hier wird seitens des wissenschaftlichen Dienstes der trivialste Weg der Entschuldung der Kommunen ausgeblendet. Statt einer Schuldenübernahme der Kommunen könnte das Land selbstverständlich eigene Schulden aufnehmen und damit dann die Schulden der Kommunen tilgen. Eine Schuldenaufnahme des Landes in der notwendigen Größenordnung würde dann große Probleme bei der Einhaltung der Schuldenbremse verursachen.
Insbesondere in diesem Punkt halten wir die Auffassung des wissenschaftlichen Dienstes, vermutlich in der summarischen Prüfung begründet, für wenig nachvollziehbar.
Bewertung weiterer Organisationen
Neben der knappen Entscheidung des wissenschaftlichen Dienstes gibt es weitere Stellungnahmen, die die Verfassungskonformität in Frage stellen.
Der Bund der Steuerzahler etwa kommt zu dem Ergebnis: „Dass die Schuldenbremse (…) per Verfassungsänderung faktisch einmal außer Kraft gesetzt werden soll, damit Rheinland-Pfalz rund drei Milliarden Euro an Krediten übernehmen kann, ist politisch falsch und verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft. (…) Offenbar denken die Fraktionen, dass der Landtag ein Ausnahmefindungsrecht hätte, wenn ihnen die Vorgaben des Grundgesetzes nicht passen. Doch wenn es so wäre, was wäre die Schuldenbremse dann noch wert? Wenn eine große Landtagsmehrheit nach Belieben für politische Projekte bestimmen könnte, dass die Schuldenbremse plötzlich nicht anzuwenden ist, wäre sie letztlich wertlos. In 2022 würde die Schuldenbremse für die kommunale Entschuldung außer Kraft gesetzt, in 2023 vielleicht für Klimaschutz-Ausgaben und 2024 womöglich für die Pensionslasten.“
Auch der Landesrechnungshof gibt zu bedenken: „Denn mit Blick auf die Folgebelastungen kommt die Schuldübernahme einer Neuverschuldung gleich. Die Verfassungsänderung droht die Schuldenregel in ihrer Wirkung zu beeinträchtigen.“
Der Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz von der Universität Würzburg sagte gegenüber dem SWR sogar, dass er in dem Vorhaben des Landtags einen “klaren Verstoß gegen das Grundgesetz” sieht.
Die dargestellten Beispiele machen deutlich, dass auch abseits der AfD-Fraktion viele Akteure die Verfassungsänderung kritisch sehen.
Änderungsvorschlag der AfD-Fraktion
Seitens der AfD-Fraktion wird zunächst begrüßt, dass eine Entschuldung der Kommunen in Angriff genommen wird. Dennoch betonen wir, dass Maßnahmen nie gegen das Gesetz verstoßen dürfen und lehnen insbesondere ein Aufweichen der Schuldenbremse kategorisch ab.
Daher wird zum Entwurf der Verfassungsänderung ein Änderungsantrag gestellt werden. Wichtigster Punkt innerhalb dieses Änderungsantrags der AfD ist die vom Rechnungshof vorgeschlagene Einfügung des Passus, dass für die übernommenen Liquiditätskredite eine konjunkturgerechte Tilgung vorzusehen ist. Die Tilgungspflicht wird dadurch wie bei notsituationsbedingten Krediten auf Verfassungsebene festgeschrieben. Dies würde dazu führen, dass sich die Finanzsituation des Landes über die Zeit hinweg nicht verschlechtert und, was besonders wichtig ist, dass eine Tilgung wirklich erfolgt.
Durch den Änderungsantrag der AfD-Fraktion könnten damit zumindest einige Zweifel an der Verfassungskonformität ausgeräumt werden.