Zum Bericht der Enquete-Kommission zum Themenkomplex Hochwasservorsorge der Obmann und erste stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion Dr. Jan Bollinger:

„Mit der heutigen Sitzung endet die wichtige und fruchtbare Tätigkeit unserer Enquete-Kommission.

Die inhaltlichen Stellungnahmen der vielen Sachverständigen in unserer Enquete-Kommission Katastrophenvorsorge waren sehr gehaltsvoll und in jeder Hinsicht ein Gewinn. Ihnen gilt unser tief empfundener Dank für die Unterstützung bei der Verbesserung der Katastrophenvorsorge und des Katastrophenschutzes und dem Schutz unserer Bürger und unseres Landes.

Bei einer Zunahme von Extremwetter und einer Verschiebung der Jahreszeiten müssen Kritische Infrastrukturen besonders geschützt werden. Das Kritische Infrastruktur-Gesetz des Bundes definiert Kritische Infrastruktur (KritIs) quantitativ: Als Anhaltswert gilt, dass eine Einrichtung als KritIs zu zählen ist, sobald bei einer Betriebsstörung mehr als 500.000 Menschen betroffen sind. Diese Regelung sollte angepasst und eine qualitative Definition verwendet werden, welche Einrichtungen für den Schutz und die Versorgung der Bevölkerung von kritischer Bedeutung sind.

 In der Raumordnungsplanung des Landes und der Regionen sollte vorbeugender Schutz vor Naturkatastrophen als Vorrangaufgabe aufgenommen werden. Das sollte dann in Form konkreter Planungsziele mit Vorrang entsprechend auch an die kommunale Ebene weitergegeben werden.

Aussagekräftige Daten sind die Grundlage für Hochwasservorsorge und Katastrophenschutz. Die Daten über zu erwartende Niederschlagsmengen, Sättigungsgrade und Pegelstände müssen kontinuierlich aktualisiert, zusammengeführt, vernetzt und in verständliche und handlungsorientierte Information für die Behörden und Katastrophenschützer vor Ort ‚übersetzt’ werden.

IT-gestützte Hochwassermeldesysteme werden heute schon in verschiedenen Regionen auf der Basis von engmaschigen Pegelstandmessungen von Flüssen und Bächen erfolgreich erprobt. Eine Einrichtung an der Ahr und ihren größeren Nebenflüssen ist daher dringend zu empfehlen und bei Bewährung auf alle Flüsse mit Risikokonstellationen auszudehnen.

Die Landesregierung muss die Ausarbeitung und Veröffentlichung von aktuellen Hochwasserrisikokarten gewährleisten und auch deren Genauigkeit überprüfen lassen. Dabei sollten deutlich umfassendere Risikoszenarien berücksichtigt werden, als dies aktuell der Fall ist. So sollte als Bemessungsgröße für den bei einer Hochwasserkatastrophe zu erwartenden Abfluss nicht der hundertjährliche Abfluss HQ100, sondern der Hochwasserabfluss eines Extremhochwassers HQextrem angesetzt werden. HQextrem entspricht ca. der 1,5-fachen Abflussmenge eines HQ100.

Zur Flutkatastrophe an der Ahr haben die enorm angestiegenen Wasserpegel der Nebenflüsse der Ahr in doppelter Hinsicht beigetragen. Bei der Beobachtung der Abflüsse im Hinblick auf Hochwassergefahren müssen daher an der Ahr wie an anderen Flüssen mit entsprechender Hochwassergefährdung unbedingt auch Nebenflüsse und Bäche berücksichtigt werden.

Hochwasservorsorge und Wasserrückhalt in Wald, Auwald, Weinberg und landwirtschaftlich genutzter Fläche sind sinnvoll und sollten genutzt werden. Dabei müssen die Maßnahmen des natürlichen Hochwasserschutzes mit den Landwirten abgestimmt, die Landwirte besser informiert und unterstützt, die Interessen und Rechte aller beteiligten Parteien ernst genommen und pragmatische Lösungen formuliert werden. Für extreme Starkregenereignisse haben die Maßnahmen der naturnahen Flächengestaltung zwar eine gewisse Verzögerung, aber keine signifikante Rückhaltewirkung. Ein größeres Potential liegt hier in technischen Maßnahmen wie Rückhaltebecken und Talsperren, deren Einrichtung grundsätzlich sinnvoll ist und in jedem konkreten Fall geprüft werden sollte.

Ein effektiver Hochwasserschutz an der Ahr ist nur möglich, wenn das ganze Einzugsgebiet der Ahr einschließlich des Abschnitts in Nordrhein-Westfalen einer einheitlichen wasserwirtschaftlichen Verwaltung unterstellt wird. Eine geläufige verwaltungsrechtliche Form einer solchen Koordinierung wäre ein Zweckverband.

Wir halten es für eine bessere Katastrophenvorsorge in Rheinland-Pfalz für unverzichtbar, dass landesweit an Hand eines umfassenden Rasters von Kriterien untersucht wird, an welchen Flüssen entsprechende Risikokonstellationen vorliegen. Dort sollten dann entsprechende Hochwassermeldesysteme und Zweckverbände eingerichtet werden.”